Ein Saisonstart nach Maß!
 

Nach einer rund 7-stündigen Anfahrt kamen wir Donnerstag abends gegen 22.30 Uhr am Sachsenring an. Familie Hänel waren bereits am Nachmittag angekommen und hatten ein Plätzchen direkt am Zaun der Start-Ziel-Geraden zugewiesen bekommen. Das an sich wäre ja schon in Ordnung   gewesen, wenn da nicht das permanent laufende Stromaggregat gestanden hätte. Naja, ich habe mir sagen lassen, bei eintönigem Motorgeräusch könne man gut schlafen.

Wir bauten dann alle gemeinsam unser neues Teamzelt   auf, dass sich mit seinen 4x6 m als sehr geräumig erwies.

Wir, das sind übrigens Michael Jubel (# 18 R6-Cup), sein Mechaniker Ralf, Fam. Hänel, mein Mechaniker Olli und ich. Nachdem wir dann alles eingeräumt hatten, gab es noch ein Feierabendsbier und wir hofften auf besseres Wetter.

Leider wurden wir am Morgen enttäuscht: Es schüttete wie aus Eimern und war saukalt. Also nicht grad beste Trainings- und Testbedingungen. Da ich noch müde war, entschloss ich mich den ersten turn auszulassen und erst den 2. Turn zu fahren. Ich habe mich dann angemeldet und durfte für die beiden verbleibenden turns sage und schreibe volle 100 Euro bezahlen!!! Wohlgemerkt für insgesamt 50 Minuten fahren!!!

Olli bereitete derweil das Motorrad vor und wir schnallten zum letzten Mal die Dunlop-Regenreifen auf, da ich noch keine Bridgestone-Regenreifen hatte.

Ich fuhr dann am späten Vormittag das erste Mal raus, rollte eine Runde um den Kurs, bremste Ende Start-Ziel an, legte um, fuhr die halbe Rechtskurve im Schneckentempo und wunderte mich dann, dass der linke Lenker nach vorne wollte und fand mich im nächsten Augenblick in 90°-Schräglage das Motorrad fest in beiden Händen haltend rutschend neben diesem auf dem Asphalt wieder. Ich fragte mich noch, was das jetzt soll, als wir beiden noch so grad eben bis in den Dreck rutschten, damit auch alles schön dreckig wird. Nachdem ich dann erst mal den Kill-Schalter gedrückt habe, habe ich meine R6 aufgehoben, angesehen, alles für i.O. befunden und wieder angeworfen. Naja, was soll ich sagen, im Regen habe ich schon immer Probleme gehabt, jetzt war das Vertrauen schon wieder weg. Ich bin den turn dann noch weiter gefahren, aber hab es sehr zart angehen lassen.

Dann haben wir die Dunlops runtergeschmissen und die neuen Bridgestone-Regenreifen montiert. Mein 2. turn fand dann auf feuchter bis abtrocknender Strecke statt. Als dann überall die Gummiknubbel der Regenreifen der anderen Fahrer rumlagen habe ich abgebrochen. So dicke habe ich es nicht, dass ich mir bei solch einem "Regenreifenkaputtfahrasphaltzustand" die nagelneuen Regenreifen zerstöre. Somit war das freie Training für mich ohne irgendwelche gebrauchsfähige Erkenntnisse.

Wir rüsteten anschließend das Motorrad für die technische Abnahme her. Doch bei der Abnahme kam dann die nächste schlechte Nachricht: Die Kommissare legten mit 2 Leuten das Motorrad in ca. 60° Schräglage, dabei sollte das Motorrad innerhalb 5 Sekunden ausgehen. Die Vergaser-R6 hat zwar einen Kippsensor, dieser jedoch schaltet zwar die Benzinpumpe ab, aber nicht die Zündung. Dies wird allerdings mittlerweile gemäß Reglement gefordert! Was jetzt? Ich hörte die wildesten Ideen und sah mich schon unverrichteter Dinge nach Hause fahren, da man wohl letztendlich ein Relais benötigt und wir so was natürlich nicht hatten. Mit tiefhängender Mine zog ich verzweifelt durchs Fahrerlager. Olli hatte dann eine Idee, wie er es doch noch hinbekommt. Dabei kam uns entgegen, dass der Sensor unserer R6 anscheinend recht "unsensibel" ist. Naja, jedenfalls bekam Olli es am späten Abend mit einem Provisorium so hin, dass die techn. Kommissare am Samstag morgen, rund 1,5 Std. vor dem ersten Quali, zufrieden waren und wir bekamen die begehrte Plakette aufs bike! 

LAAKS-R6

Zum ersten Qualifying zog ich dann die BRIDGESTONE BT 002 auf, ein Reifen der schon vom Motorradsportmagazin PS mit einem "PS-Tipp" ausgezeichnet wurde. Auf der kalten Piste fuhr ich auf den vorläufigen 32. Startplatz und fühlte mich noch nicht richtig wohl. Das ganze Bohei vorneweg hatte mich aus dem Konzept gebracht und ich kämpfte arg mit einem beschlagendem Visier. Da der Helm mit dem Antibeschlagvisier in Fahrerlager 2 und nicht in der Boxengasse war, mußte ich mir behelfen und tapte den bereich zwischen Nase und Visier komplett zu. Aber auch das half nicht viel weiter, da die Luft doch noch zwischen den Falten des Tapes durchkam.

Da ich sicher war, ich würde mich noch erheblich steigern können, bereiteten wir das Motorrad ohne große Veränderungen fürs 2. Quali vor. Diesmal zog ich von vornherein den anderen Helm auf. Bereits die 3. Runde war 7/10 schneller als die beste Zeit des 1. Qualis. Nun hoffte ich darauf mich an andere anhängen zu können und mich auf schnelle Runden ziehen zu lassen. Tatsächlich hatte ich ein paar Fahrer vor mir, die nur so viel schneller waren, dass das Vorhaben klappen sollte. Aber es klappte nicht. Ich konnte deren Linie nicht folgen. Jedesmal wenn ich versuchte, genau so viel Gas zu geben, fuhr meine Maschine weit nach außen und ich mußte vom Gas gehen. Die anderen konnten mit ihren Maschinen viel engere Linien fahren und waren auch noch schneller weg. Bei mir wurden die Zeiten eher sogar noch schlechter. Ich stand abermals vor der Verzweiflung. Woran liegt es? Bin ich zu doof zum Fahren? Ist mal wieder das Wilbers-Fahrwerk schuld? Alles kam mir von letztem Jahr so bekannt vor: Die Fahrwerksprobleme, die Plazierung (35. von 38). Das Einzige das besser war, war die Qualizeit. Letztes Jahr fuhr ich 1.38 min, jetzt 1.36 min. Aber das konnte es trotzdem nicht sein. Die LAAKS-R6 geht besser und ist neuer.

Wir sahen uns die R6 dann mal genauer an und Rainer Tschauder von TTSL entdeckte einen groben Fehler: Die Kette war fast komplett stramm. Ich hatte wohl einen Einbaufehler gemacht, obwohl ich mir sicher war, dass die Kette normal lose war, als ich die Radachsmutter angezogen hatte.

Abends machten wir uns viele Gedanken und ich machte Olli klar, dass ich im warmup ein radikal verändertes Setup testen will. Alles andere hätte keinen Zweck. Olli änderte das Fahrwerk entsprechend ab, wollte aber im warmup noch etwas anderes probieren. Ich sollte nach etwa 3 Runden wieder reinkommen. Die gebrauchten Reifen ließen wir drauf, auch wenn der hintere nicht mehr so toll aussah.

Um 7.20 Uhr klingelte der Wecker und ich schaltete meine 8 Jahre alten Reifenwämer an. Um 8.25 uhr ging es dann los. Mann ist das früh. Wer kann um die Uhrzeit schon schnell Motorrad fahren?

Olli sagte mir noch mal, ich solle zwischendurch mal reinkommen, Da ich aber von der ersten Runde an merkte, das es deutlich besser funktionierte, wollte ich die Verbesserung auch auf der Uhr sehen. Schon die dritte Runde war genauso schnell wie die schnellste Qualirunde. aber es mußte noch deutlich besser gehen. Dann war Verkehr. Ich kam zum ersten Mal in die Verlegenheit andere auszubremsen und trotzdem noch einlenken zu können. Plötzlich konnte ich anderen aus der Ecke raus folgen und fuhr fast die gleiche Linie. Kurz gesagt: Ich begann mich auf der LAAKS-R6 wohlzufühlen. In der letzten Runde des warmup bremste ich mich Ende Start-Ziel spitz an einem Konkurrenten vorbei, lenkte ein und hatte niemand mehr vor mir. Jetzt mußte eine bessere Zeit her. Niemand stand mir mehr im Weg, ich hatte Platz. In die Runde baute ich noch ein paar kleinere Fehler ein, fuhr auf Start-Ziel, lugte auf den laptimer und wußte dass es geklappt hatte. Prompt sah ich eine Zeit, die eine volle Sekunde schneller war als im Quali und das auf gebrauchten Reifen, bei niedrigerer Temperatur, früh morgens, mit Ausbremsmanöver und ohne großes Risiko!

Die Auswertung zeigte es dann auch: Platz 20 von 38

Wir sind auf dem richtigen Weg und meine Motivation stieg. Endlich konnte ich wieder lächeln.

Um 13.20 Uhr fuhr ich dann rüber ins andere Fahrerlager, zum Vorstart. Schon unterwegs merkte ich, dass einige Regentropfen auf mein Visier fielen und ich dachte noch "so ein Mist, die Regenräder haben wir drüben gelassen".

Als ich dann in der Boxengasse stand, kamen auch Olli und Ralf mit den Ständern und den Reifenwärmern an. Nur, der Asphalt war nass. Olli und Ralf rannten wieder los, durch die Boxengasse, durch den Tunnel, durch das halbe andere Fahrerlager und alles wieder zurück. Abgehetzt kamen sie an. Es nieselte nur noch wenig, aber der Asphalt war nass.

Die Rennleitung lief inzwischen mit einem Schild durch die Boxengasse "WET RACE". Das bedeutet, es wird nicht abgebrochen wenn es anfängt zu schütten. Also, was tun?

Die ersten hatten bereits die Regenreifen drauf und der Himmel sah auch nicht prickelnd aus. Ich wollte erstmal abwarten. Die Ampel ging auf grün, wir hatten nur noch 5 Minuten. Ich lief noch mal schnell zur Toilette, die Blase war genauso nervös wie ich, und fuhr anschließend in die Einführungsrunde. Pfützen standen nirgends, aber der Asphalt war überall nass. Was jetzt? In der Startaufstellung fehlten 5-8 Fahrer, die Startreihe hinter mir blieb komplett leer (die beiden sind gar nicht erst angetreten). Olli meinte, dass vorne einige normale Profilreifen drauf hätten. Viele hatten noch Reifenwärmer drauf, alle anderen hatten entweder Regenreifen und Intermediates drauf oder wechselten noch in der Startaufstellung. Ich schluckte und dachte mir so, dass unter den Reifenwärmeren ja überall Profilreifen sind. Ich entschied mich, die BRIDGESTONE BT 002 drauf zu lassen. Ich hatte nicht viel zu verlieren so weit hinten.

Dann kam die Überraschung, die Reifenwärmer mußten runter und die Helfer die Startaufstellung verlassen. Nirgends sah ich Profilreifen, weder links, noch rechts noch in den 3 Reihen vor mir. Ein Blick und ein Stoßgebet zum Himmel und ich hoffte auf eine Portion Glück.

Und los ging es auf dem feuchten Asphalt in die 3 (!) warmup-laps. Bereits aus der ersten Runde kam ich mit 30 Meter Rückstand auf den Vorletzten zurück. Es war die falsche Entscheidung, ich war mir nun sicher. Ich spürte auch schon wieder feine Spritzer auf dem Visier. Nichtsdestotrotz fuhr ich schön auf der Ideallinie, damit diese schnellstmöglich abtrocknet.

Beim Start noch gaaaanz hinten. ;-)

Foto: Sportfoto Wiessmann

Dann der Start. Relativ gut kam ich vom Startplatz weg, machte aber vor der ersten Kurve halblang. "Ruhig", dachte ich mir, "ruhig, deine Zeit kommt erst gleich!". Ich versuchte nur noch den Anschluß nicht zu verlieren und schob das Feld vor mir her. Zur Karthalle runter war es noch richtig nass, aber die ersten Stellen trockneten ab. Von Runde zu Runde wurde es besser. Die Regenreifenfahrer suchten die nassen Stellen und fuhren mit ihrem Zickzack den gesamten Asphalt trocken! Das Grinsen stieg mir ins Gesicht als ich den vorletzten überholte. Nach und nach waren immer mehr Fahrer vor mir, an denen ich vorbei mußte. Das war nicht leicht, die einen fuhren bemerkenswerte Schräglagen, beschleunigen konnten alle gut, nachdem sie das Motorrad aufgerichtet hatten. Ich sah, wen ich überholte und grinste über das ganze Gesicht. Wahrscheinlich war das mit ein Grund, weshalb mir das rechte Auge tränte und die Kontaktlinse fast aus dem Auge fiel. Immer besser konnte ich mich vorbeibremsen. Doch ich bekam plötzlich Probleme mit dem Runterschalten. 4 mal geschaltet und immer noch im 5. Gang. Mist. Aber es konterte niemand. In aller Seelenruhe schaltete ich NACH der Kurve zurück und schloß zur nächsten Gruppe auf. Das passierte mir andauernd. Ich hoffte nur noch, dass das Motorrad keinen Defekt hat und fuhr weiter. Meine Position? Keine Ahnung. Ich hatte auf Start-Ziel kaum Zeit zur Boxentafel zu schauen, ich mußte erst sehen, wo ich an den anderen vorbei kommen konte, ohne dass ich mich dabei in Gefahr begab.

Dann die letzte Runde. Sollte ich Kampflinie fahren? Oder sollte ich versuchen, den Kawa-Fahrer 200 Meter vor mir noch zu kriegen? Fahren wir mal ran. Leider kam ich zwar noch bis an ihn ran, aber leider nicht mehr vorbei. Schade eigentlich. Einen Ex-Europameister (Kai-Borre Anderson) überholt man nicht jeden Tag in einem Rennen, oder? :-)

Egal, dachte ich mir. Immerhin bist du sturzfrei angekommen so um Platz 20 wird das schon sein.

Ich fuhr in die Boxengasse, wurde am Parc ferme vorbeigewunken, als Olli, Ralf und Holger auf mich zu kamen und mir erklärten, ich wäre 13. Ich so "ja, auf der 2. Seite, oder was?". Olli: " Nein, Martin, DU bist 13." Ich: "Ich bin was?" Olli: "Du bist 13." Ich konnte es nicht fassen. Plötzlich sollte ich doch das Motorrad in den Parc Ferme schieben. Dort mußte es bis zum Ende der Protestzeit stehenbleiben.

Ich holte mir die Auswertung. dort stand tatsächlich, dass ich 13. war. Ich konnte es noch immer nicht fassen. 22 Plätze gut gemacht im Rennen. Dabei sah es die ersten Runden noch nicht unbedingt danach aus, dass man mit Profilreifen innerhalb der 13 Runden den Vorteil wird haben.

Dann kam es noch besser: Ein nicht punkteberechtigter Gaststarter war auch noch dazwischen, somit bin ich derzeit 12. der Supersport-IDM 2004 und habe meine ersten 4 Punkte kassiert!

Diese 4 Punkte widme ich meinem Vater der am 27. April nach schwerer Krankheit verstarb. Danke Papa, das Wetter hast du für mich gemacht, oder?

Etliche Leute gratulierten mir und von Rainer Tschauder und Franz Lesl gabs erst mal einen Havanna, natürlich alkoholfrei. ;-)

 

Von hier aus noch mal vielen 1000 Dank an alle die mir dazu verholfen haben: 

Olli, Ralf. Fam. Hänel. Jubi, TTSL, alle die mir die Daumen gedrückt haben und den Ausrüstern und Sponsoren, die ich an anderer Stelle noch mal einzeln vorstellen werde.

Euer # 17 Martin

Was uns sonst noch aufgefallen ist:

- Dass Joggi # 97 und ich viele Dinge gemeinsam hatten: Das selbe Zelt, Sturz in der allerersten fliegenden Runde, den selben Platz im ersten Quali und beide haben wir im Rennen mal das Feld vor uns her geschoben...

- Dass zum Rennsport auch mal eine Portion Glück gehört.

- Dass die neue Startnummer mir bereits im ersten Rennen Glück gebracht hat!

 

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