Am falschen Ende gespart
 

Nachdem wir beim ersten Lauf zur IDM 2002 am Eurospeedway Lausitz endgültig festgestellt haben, dass sich das Vorhaben in diesem Jahr irgendwann in die Punkteränge zu fahren nur mit einem leistungstärkeren Motor realisieren läßt, haben wir gut 1 Woche vor dem      2. Lauf den von Laaks getunten Motor wiederbekommen und bei Fa. Laaks eingebaut um einen ersten Funktionstest auf dem Prüfstand zu absolvieren. Da sich dabei noch ein paar kleinere Probleme mit den Vergasern auftaten, bauten wir zunächste erstmal wieder die alte Vergaserbatterie für Oschersleben drauf.

Nach einer endlosen Woche des Abwartens war ich froh, im freien Training am Freitag das erste Mal den neuen Motor auf der Strecke zu fahren. Das Erste was mir auffiel war, dass der Motor seidenweich läuft. Im Laufe der 4 freien Trainings am Freitag steigerte ich langsam den speed und konnte erste Vergleiche ziehen zu anderen Motorrädern. Erstmals konnte ich auf den Geraden mit Fahrern mithalten, die mir sonst Meter um Meter abnahmen. Also liegt das nicht nur am berühmten "der kommt mit mehr Schwung aus der Kurve", ein richtiger Aha-Effekt! Gleichzeitig merkte ich aber auch, dass der Motor viel besser am Gas hing und auch untenrum (also so bei 8000 U/min) deutlich mehr Leistung anliegt, ich spürte beim Rausbeschleunigen das Hinterrad viel deutlicher als früher, das ganze Fahrwerk hatte mehr zu tun.

Am nächsten Morgen fühlte ich mich nicht so gut, der Heuschnupfen hatte mir übernacht ganz arg zu schaffen gemacht (Nase dicht, Augen leicht geschwollen). Schön ist es dann auf dem Motorrad zu sitzen, man merkt nichts mehr davon!

Beim Rausfahren schwenkten die Streckenposten schon die rot-gelbe Flagge und ich wunderte mich, woher das Öl kommen sollte, denn vor uns waren nur 2-Takter gefahren, bis mir dämmerte, dass die Verunreinigung noch von einem Seitenwagenfahrer vom Vortag stammte. Leider wurde wohl abends nicht die Strecke gereinigt und so mußte man sehr zielgenau fahren um die Linie zu treffen. Das Bindemittel lag von Ende Start-Ziel bis ausgangs der Hasseröder-Kurve. Toll, dachte ich mir, aber es haben alle gleiche Bedingungen, aber Überholen wird so sehr schwer. Nachdem einige Runden auch noch versaut waren, weil einfach nicht zu erkennen war, ob die langsam fahrenden oder wartenden Fahrer Platz ließen oder auf die Ideallinie einbiegen wollten, hatte ich in der allerletzten Runde Platz und fuhr eine 1.36,8 min. Für die Bedingungen und dafür, dass ich mich mit der Motorleistung gerade erst anfreunde, nicht schlecht, dachte ich mir und wußte, dass noch reichlich Reserven da sind. Nach einem Blick auf die Auswertung fand ich mich auf Platz 30 wieder. Immerhin waren noch weitere 20 Leute hinter mir, denn mit 50 Fahrern war volles Haus angesagt.

Fürs 2. Qualifying nahm ich mir vor, ein paar Runden alleine zu fahren und mir dann jemand zu suchen, an den ich mich anhängen konnte. Außerdem wollte ich noch mindestens 5 Plätze nach vorne. Bei einem Blick in den Geldbeutel entschloß ich mich dann aber, beide  Reifen drauf zu lassen, was sich später als eklatanter Fehler erwies. Das Ölbindemittel war nun an den meisten Stellen ziemlich verschwunden, nur die Hasseröder war noch immer der Länge nach 2-geteilt (was sich bis einschließlich Sonntag nicht ändern sollte...).

Ich fuhr also raus und zunächst erstmal ein paar Runden um den Grundspeed zu finden. Nach ein paar 37er-Runden brach ich dann ab und fuhr langsam um auf einen etwas schnelleren Fahrer zu warten. Nach 2 Runden mit Zeiten jenseits von 1.50 min und keinem schnelleren Fahrer gab ich den Gedanken erstmal auf und zog das Tempo wieder an. Plötzlich kam Nina Prinz vorbei und ich hing mich an. Sie fuhr zügig und es hätte eine gute Runde werden können, als sie in der Hotelkurve auf die Idee kam, ihre Runde doch abzubrechen und dies mit schleifendem rechten Knie und hochgehobenem linken Bein andeutete. Ok, dachte ich mir, du fährst weiter. Just in dem Moment, wo ich an ihr vorbei wollte, bog sie noch vor mir in die Schikane ein. Das war reichlich knapp und fast noch schlimmer: Wieder ne Runde im Eimer. 2 Runden später schaffte das selbe Kunsttück noch ein anderer Fahrer und ich wurde ungeduldig. Die Uhr zeigte nur noch 8 Minuten Training und noch immer hatte ich kein "Zugpferd" gefunden. Ganz im Gegenteil, 2 andere Fahrer wollten mich dafür mißbrauchen! Ich entschloß mich dann, noch mal alleine Gas zu geben und auf Zeitenjagd zu gehen. Die erste Runde war dann eine niedrige 37er Zeit und vor mir eine Menge Platz. Jetzt mußte es klappen. Ende Start-Ziel spät gebremst, Gänge runtergeschaltet,  in die Links eingebogen, umgelegt in die Rechts, Schräglage und Kurvengeschwindigkeit aufgebaut, plötzlich, genau im dem moment wo ich die größtmögliche Schräglage erreichte, rutscht mit ohne Vorwarnung das Vorderrad weg. Das Motorrad dreht sich vorne rum und reißt mir den Lenker aus der Hand. Ich rutsche hinter dem Motorrad her und sehe, dass sie sich nicht überschlagt sondern nur glatt ins Gras rutscht. Ich springe auf, laufe zu meiner R6 und sehe, dass das Rad schon still steht. Trotzdem drücke ich noch auf den killoff-Schalter um sicher zu gehen, dass der Motor auch aus ist. Die Streckenposten helfen mir noch, die R6 aufzuheben. Toll. Lenker und Raste gebrochen. Nachdem dann der Schlepper nicht kam um mich abzuholen, habe ich das Motorrad zurück ins Fahrerlager geschoben. Dort kam mir gleich der schnelle Türke aus dem R6-Cup entgegen (tschuldigung, ich kann mir seinen Namen nicht merken...) und schob mir das Motorrad zu meinem Wohnwagenvorzelt. Vielen Dank für die Hilfe noch mal von hier aus!

Im Großen und Ganzen war nix Schlimmes am Motorrad: Verkleidung hatte ein paar Macken, Lenkerrohr gebrochen, Raste gebrochen, Auspuffendtopf hatte ein paar Dellen mehr als vorher  (werde ich auch wieder ausbeulen) und das Zwischenrohr hatte an der Schwingenseite eine Kante und vor dem Endtopf eine flache Beule. dazu natürlich noch sonstige Kleinigkeiten. Trotzdem dauerte es bis nachts um 24 Uhr, bis die auch noch versoffene Maschine wieder fertig da stand und der Motor wieder brummte. Das Titan - Zwischenrohr haben wir übrigens mit einer Lötlampe rotglühend gemacht und vorsichtig auf einer Anhängerkupplung wieder fast perfekt ausgebeult.

Der Grund für den Sturz war mir auch klar: Der Vorderreifen war für sehr schnelles Fahren einfach schon zu alt und hatte dafür zu viele km gesehen.

Am nächsten Morgen wollte mein Mechaniker, der Andreas dann 10 Minuten vor dem warmup den Motor warmlaufen lassen, während ich mich fertig machte. Es blieb beim "wollte", da die Mühle immer noch oder schon wieder versoffen war und nur munter vor sich hin röchelte. Langsam kam eine gewisse Panik auf, wir wußten ja nicht, ob das Motorrad überhaupt wieder voll i.O. war. Nach vielem Hin und Her haben wir sie dann angeschoben und irgendwann sprang sie dann auch an, ging aber sofort wieder aus. Alle anderen Fahrer zogen mittlerweile schon ihre Kreise im ohnehin mit 10 Minuten sehr kurzen warmup. Endlich blieb sie an und ich schwang mich drauf. Auf dem Weg zur Box ging sie noch einmal aus, dann bleib sie an. In der ersten Runde war sie am Ruckeln wie wild und ich rechnete schon mit dem Schlimmsten, doch dann beruhigte sie sich und schnurrte wieder wie ein Kätzchen. Nach 2 Runden war das warmup zu Ende. Super. In der Auslaufrunde wollte ich dann mit dem neuen Motor nochmal 1-2 Startübungen machen. Wer weiß was sich da geändert hat. So stellte ich mich neben vielen anderen Fahrern auf die Gegengerade und testete einen Start. Da mir die Drehzahl zusammenbrach, versuchte ich es sofort noch einmal. Wieder nicht geklappt. Nochmal. Wieder nix. Um die nächste Kurve rum. Nochmal.Diesmal stieg mir die Drehzahl auf 13.000 U/min, das Vorderrad ging hoch und wieder runter. nur kam ich nicht richtig vom Fleck. Nochmal. Wieder nix. Dann mußte ich abbiegen in Richtung Boxengasse. Ich wollte etwas Gas geben. Kam nix. Kein Gang drin? Auf den Hebel getreten, aber es kam nichts. Toll. Was war das denn jetzt? Das hatte ich ja noch nie. In der Box zog Theo Laaks  kurz am Kupplungshebel: Null Spiel, Kupplung verbrannt. Nina Prinz hatte das selbe Problem und wie ich später feststellte noch etliche andere, denn überall wechselten die Leute ihre Kupplungen, unglaublich.

Jetzt die Frage, woher kriegen wir eine Kupplung? Sowa hat man als kleines privates Team ja auch nicht unbedingt im Handgepäck! Kein Problem, ab zum Truck des YAMAHA-R6-Cup. Doch die hatten auch keine komplette Kupplung mehr. Team Laaks bauten die letzten 2 bei Nina Prinz und Phillipp Hafeneger ein. Bike promotion hatte wohl auch keine mehr. Nach langem Suchen im Fahrerlager erklärte sich dann Armin Kopp vom Team Malvin-Technology bereit, seine fast neue Kupplung aus dem Ersatzmotor auszubauen. Auch hier noch mal 1000 Dank!

Mit Hilfe von Fritz, einem Mechaniker vom Team Laaks bauten wir dann die Kupplung ein und waren pünktlich um 12.45 Uhr fetig. Dachten wir. Nachdem der Motor lief und auch die Kupplung wieder funktionierte, entstand eine kleine Benzinlache unter dem Motorrad. Was ist das denn jetzt schon wieder. Nach intensiver Suche fanden wir dann ein winzigkleines Loch im Benzinschlauch an der Benzinpumpe, 1,5 cm oberhalb der Schlauchschelle. Gott sei Dank war der Schlauch lang genug, so dass wir ihn nur kürzen mußten. Pünktlich eine Stunde vor dem Rennen waren wir nun endgültig fertig, tankten und schlossen die Reifenwärmer an.

Schnelle noch den Start vom R6-Cup angesehen und dann stieg auch schon die übliche Nervosität.

Pünktlich ging es dann vom 35. Startplatz aus in die warmup-lap und wieder kam ich nicht vom Start weg. "Das gibt's doch nicht" dachte ich, "was soll das erst beim Start geben!" Und es kam noch schlimmer. Es war, als hätte ich den 4. Gang drin liegen und nicht den Ersten. Schon am Zielstrich war ich Vorletzter (ich dachte ich wäre Letzter, aber da war wohl doch noch jemand hinter mir). Dazu kam auch noch, dass vorne im Feld Martin Bauer sich nach einem mißglückten Start mit seinem Motorrad überschlug und eine riesige Staubwolke aufwirbelte, wodurch das ohnehin chaotische Feld zum teil nochmal vom  Gas mußte. Als ich in die erste Kurve einbog, war die Spitze schon in der Hasseröder. Auch wurde das Rennen nicht abgebrochen, satt dessen gab es 3 Runden lang gelbe Flaggen und gelbes Blinklicht: Überholverbot. Toll. Danach fing ich an, die Leute vor mir zu überholen und arbeitete mich durch die Gruppe durch. Als ich dann durch war, sah ich 50 Meter voraus Peter Sluka. Innerhalb von 1,5 Runden war ich fast dran und wollte vorbei. Aber das war leichter gedacht als gemacht. Peter fuhr zwar in den meisten Kurven zu langsam und auch auf der Bremse war ich deutlich besser, jedoch kam er aus den Ecken besser raus und nahm mir die Meter wieder ab, die ich mich am Ende der Geraden wieder ranbremsen konnte. 4 x versuchte ich, ihn an 3 verschiedenen Stellen zu kriegen. Nie paßte es wirklich. 1 Mal hätte ich ihn beinahe abgeschossen und könnte gerade eben noch ausweichen, bekam dann aber den Gang nicht mehr runtergeschaltet. prompt hatte ich auf der Zielgeraden 30 Meter Abstand. Am Ende war ich wieder dran. Ohne großes Risiko fand ich im ganzen rennen keinen Weg mehr dran vorbei und beendete das Rennen 1 Platz hinter Sluka. Im Parc Ferme erfuhr ich dann, dass er eine Zeitstrafe wegen Frühstarts erhielt und so war ich im Klassement doch wieder vor ihm. Jedoch auf einem enttäuschenden 29. Platz mit Rundenzeiten, die entsprechend der Überholmanöver und dem Festhängen hinter Sluka deutlich hinter meinen Möglichkeiten zurücklagen. Wieder einmal merkte ich, wie wichtig es bei den 50km-Sprintrennen in der Supersport-IDM ist, einen guten Start zu haben, denn sonst ist der D-Zug nach vorne weg.

Was uns sonst noch aufgefallen ist:

- dass ein SC1 Vorderreifen nach 370 km Rennstrecke zwar noch gut funktioniert aber nicht mehr für eine Zeitenjagd ausreicht.

- dass ich dringend nochmal Starts üben muß, es geht halt nicht immer so gut, wie in der Lausitz.

- dass der Motor von Theo Laaks wirklich gut läuft.

- dass die Truppe vom Theo Laaks sehr hilfsbereit ist.

- dass es auch in der IDM im mittelfeld noch Kolegialität gibt (danke Armin)

- dass ich dringend  Sponsoren brauche um auch  ausreichend in Reifen investieren zu können.

- dass es eine Wohltat ist, wieder im Wohnwagen schlafen zu können.

Euer # 47 Martin

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