Das Schleizer-Dreieck-Rennen, die "TT-isle-of-man" von Deutschland
Mit sehr gemischten Gefühlen stand für mich ein in der Gunst des Publikums hoch angesetztes Event auf dem Programm der diesjährigen IDM-Tour: Ein Rennen auf dem berühmt-berüchtigten Schleizer Dreieck, einem 78 Jahre alten Stadtkurs in Ostdeutschland.

Ich wurde von vielen vorgewarnt "nimm genug Unterhosen mit" oder "fahr am Besten direkt mit Pampers raus", denn wer in Schleiz schnell fahren will, der muß nicht die Strecke sondern sich selbst überwinden. Da ich ja eigentlich auf der Rennstrecke fahre, weil mir die Straße zu gefährlich ist, wußte ich natürlich nicht, ob es richtig ist, dass ich an diesem Rennen teilnehme. Aber die Neugier hat gesiegt und ich habe meine Nennung abgegeben. Man muß ja alles mal mitmachen, oder?

Ein weiteres Handicap war noch, dass meine gewohnten Mechaniker Florian und Christian nicht mitkonnten. Mit Boris, einem Bekannten eines Freundes fand ich dann aber einen guten "Ersatzmechaniker", der zwar noch nie mit einem Rennteam an der Rennstrecke war, aber für einen Theater- und Veranstaltungs-Ingenieur (war das jetzt richtig so???) äußerst gute Mechanikerfähigkeiten vorweisen konnte. An dieser Stelle noch mal vielen Dank, Boris!

Das Rennen, das von gut 30.000 rennsportbegeisterten Zuschauern besucht wurde, war tatsächlich das Highlight des Jahres für alle IDM-Teams und -piloten. Und ich muß sagen, ich bin schwer beeindruckt und begeistert. Es war alles anders als sonst. Schon als wir mit unserem Transporter-/ Wohnwagen-Gespann durch Schleiz fuhren und plötzlich links und rechts rot-weiße Curbs auftauchten war uns klar: Das hier ist was ganz Besonderes. Wir fuhren dann entgegen der späteren Fahrtrichtung vorbei an einem Maisfeld, das als Auslaufzone einer Kurve diente, auf die Start-Ziel-Gerade und sahen auf der der Boxenmauer gegenüberliegenden Seite einen vollbesetzten Biergarten unmittelbar an der Strecke mit einem großen Plakat "0,5 Liter Bier 4,- DM". Wir fuhren dann ins Fahrerlager und machten uns auf dem extra für uns abgesperrten Bereich (Fam. Hänel und Frank sei Dank) in bester Position breit. Nachdem wir Wohnwagen und Vorzelt stehen hatten, schnappten wir uns sofort unsere Fahrräder und fuhren den für mich noch völlig unbekannten Kurs ab. Unser Eindruck läßt sich einstimmig mit nur einem Wort beschreiben: Geil! Ich machte mir schon Gedanken zu Übersetzung, Bremspunkten und Auslaufzonen und prägte mir den Streckenverlauf ein. Das Wetter war gut und 2 Qualifyings je 30 Minuten und ein 15-minütiges Warmup sollten auch reichen um akzeptable Rundenzeiten zu erreichen. Doch es kam alles wieder anders. Samstag morgen um 11 Uhr fuhr ich mit meiner WEGNER-R6 mit frisch revidiertem Motor zum 1. Qualifying raus. Da wir den Motor schon auf dem Superflow-Prüfstand bei Motorrad-WEGNER etwas eingefahren hatten, brauchte ich es nur noch 3-4 Runden ruhig angehen lassen, danach konnte ich dann auch ungehemmt Gas geben. Von Runde zu Runde steigerte ich mich, manchmal um bis zu 2 Sekunden. Nach insgesamt 10 Runden war dann aber schon das Training zu Ende und mit einer Zeit von 2.49,7 min fand ich mich gar nicht so schlecht. Ich wußte ja, dass diese Zeit letztes Jahr einem Fahrerkollegen nach 2 Qualifyings für Startplatz 30 gereicht hatte. Umso größer war dann die Überraschung, dass die Spitze in diesem 1. Qualifying bereits 4 Sekunden schneller war, als letztes Jahr nach 2 Qualis und meine Zeit nur für den 40. Platz reichte. "Egal", dachte ich mir, "es gibt ja noch ein Zeittraining". Tja, wenn denn nur das Wetter mitgespielt hätte. Denn, wie eigentlich bei fast jedem Rennwochenende in dieser Saison, fing es am frühen Nachmittag an, wie aus Kübeln zu regnen. Alle Fahrer wurden zu einer Besprechung gebeten und die Fahrervertreter prüften, ob die Strecke überhaupt noch befahrbar war. Da der Regen wieder aussetzte, aber bereits eine große Zeitverschiebung eingetreten war, wurden alle Trainings auf 15 Minuten gekürzt und auf abtrocknender Strecke war natürlich auch keine Zeitverbesserung mehr möglich. So rollte ich 4 Runden auf den ansonsten gut funktionierenden METZELER-RS1 rum und stellte die YAMAHA-R6 dann wieder ab. Startplatz 40 war bestätigt, eine Verbesserung nicht möglich. Mist.

Sonntag Morgen war dann noch das warmup angesagt, was von mir und einigen anderen dann mehr als ein zusätzliches Training denn als warmup angesehen wurde und ich nahm mir vor, schon von der ersten Runde an Gas zu geben und die Rundenzeiten zu senken. Nach der ersten halben Runde ging der Motor aus und sprang nicht mehr an. "AAAAARRRGGGGHHH" war mein erster Gedanke. Unverrichteter Dinge konnte ich mir dann ansehen, wie alle Ihre Runden zogen und ihre Rundenzeiten senkten. Zurück ins Fahrerlager ging es dann auf dem "Schandkarren", der Defekt war schnell gefunden und beseitigt und die R6 schnurrte wieder wie ein Kätzchen.

Zwei Stunden vor dem Rennen stieg dann die Nervosität, schließlich hatte ich gerade mal 6 halbwegs ernstzunehmende Runden auf diesem Kurs gefahren. In der Startaufstellung um 14.15 Uhr war es dann auch wieder wie immer, der Adrenalinspiegel stieg in den Himmel, der Drang schnell noch mal irgendeinen Baum zu düngen obwohl ich 10 Minuten vorher gerade war und ein riesiges Fahrerfeld mit durchweg ambitionierten Piloten vor, neben und hinter mir, von denen keiner mit dem olympischen Gedanken antritt.

Dann endlich der Start. Ich kam super weg und hatte vor der ersten Linkskurve bestimmt schon 6 Konkurrenten (einschließlich Maik Stief, der in meiner Startreihe stand) überholt. Da ich aber nicht sicher war, wo ich wieviel Gas geben konnte, zogen in der ersten Runde ein paar Konkurrenten wieder vorbei und ich klinkte mich einfach dahinter ein. Schon in dieser ersten Runde mit stehendem Start war ich nur 4 Sekunden langsamer als in meiner schnellsten Trainingsrunde. In der 2. Runde verbremste ich mich in der Waldkurve, einer Kurve, die man aus dem 6. Gang bergab beim 200-Meter-Schild anbremst und bis in den ersten Gang runterschaltet. In dieser 40-km/h-Kurve gibt es keine Auslaufzone und ich konnte mich gerade noch mit weitem Bogen auf dem Asphalt halten. Dabei verlor ich dann wieder einige Plätze. Trotzdem war die Runde bereits 3 Sekunden schneller als im Training. Ich klinkte mich wieder ein und senkte in der 4. Runde die Zeit um weitere 3 Sekunden zu meiner schnellsten Rennrunde. Dann merkte ich wieder, dass mein Unterarm anschwoll und mir das Bremsen schwerer fiel, außerdem hatte ich vor der Waldkurve beim Anbremsen ein Chattering-Problem, das bei den langsameren Trainingsrunden noch nicht aufgetaucht war. Um nichts zu übertreiben, beließ ich es dabei und meine Rundenzeiten pendelten sich ein. In den recht anstrengenden 9 Rennrunden konnte ich dann noch 3 Konkurrenten überholen, wovon ich mir den Letzten für die Waldkurve in der letzten Runde zurechtlegte und ihn dann genau wie geplant einfach ausbremste. Eine Schikane und eine Kurve später wurde ich auf Platz 32 liegend mit 1/10 Sekunde Vorsprung auf den kurz zuvor überholten Suzuki-Fahrer abgewunken.

Da ich mir für das Rennen eh nichts ausgerechnet hatte, war ich glücklich, nicht gestürzt zu sein, einige Leute hinter mir gelassen zu haben und meine Rundenzeit um 6,3 Sekunden gesenkt zu haben. Das Publikum wußte die Leistung aller Fahrer zu würdigen und hat selbst dem letzten angekommenen Fahrer noch reichlich Applaus spendiert.

Alles in allem war es ein Superwochenende, ich habe wieder viel gelernt und so viele Autogramme gegeben wie noch nie. Meine am PC selbstgemachten Autogrammkarten sind alle weg und es wird Zeit dass ich mal Richtige bekomme.

Die Strecke selbst hat einen ganz besonderen Reiz und einen Stil, den man mit kaum einer anderen Strecke vergleichen kann (wenigstens nicht mit denen, die ich kenne). Die heftigste Stelle ist meiner Ansicht nach eine nicht einsehbare Rechtskurve am Ende der Gegengeraden, die von den Spitzenfahrern im 6. Gang ohne Zucken der Gashand Vollgas mit Knie am Boden und laut Datarecording mit 261 km/h gefahren wird. Ich hatte diese Ecke im Rennen relativ gut drin und habe dort immer etliche Meter auf meine Vorderleute gut gemacht. Trotzdem habe ich noch gezuckt. Zwar fahre ich ohne Datarecording aber ich schätze meine Geschwindigkeit dort im Vergleich zu den Spitzenfahrern auf rund 245 km/h ein.

Interessant war auch, dass 7 Gaststarter in der Supersportklasse teilnahmen, darunter mehrere Niederländer und ein britisches Team, das sonst bei der originalen Tourist Trophy auf der Isle of man antritt.

 

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